Ein warmer Sommernachmittag im Juni. Den Spielplatz haben wir verlassen, nach einer ausgelassenen Schaukelpartie sitzt meine 16 Monate alte Tochter gut gelaunt in ihrem Buggy. Die kleinen Händchen halten sich am Wagen fest, wir fahren los, um noch ein paar Besorgungen zu machen. Fröhlich zeigt sie auf die Amsel, die vor ihren Augen aus dem Gebüsch flattert. Ihr Sonnenhut ist leicht verrutscht und sie sieht süß aus. Die Augen strahlen aufgeregt, der kleine Finger in die Höhe gestreckt: „Da Vogel Mama“. Ich drücke ihr einen Kuss auf das runde Bäckchen. Wir schieben weiter, vorbei an anderen kleinen Wundern, die sie staunend brabbelnd kommentiert (Eichhörnchen, Schmetterling und Co. begegnen uns auch auf dem schönen Weg, der hinter der Reitanlage entlangführt), ein leichter Wind weht, die Sonne scheint durch die Hecke. Ich hänge meinen Gedanken nach, kaputt vom Arbeitstag, und gehe in Gedanken die Einkaufsliste durch.
Als wir am Ende des Weges um die Ecke biegen, befinden wir uns in der belebten Einkaufsstraße in unserem Viertel und sind nach wenigen Minuten im dm gelandet. Die Kleine freut sich schon, denn hier gibt’s am Ende, wenn man ganz lieb mitgeholfen hat alle Sachen zu suchen, einen leckeren Quetschi, am liebsten Banane-Erdbeere mit dem lustigen Häschen vorne drauf. Direkt hinter der Kasse öffne ich das Smoothie für die Kleine, schiebe weiter und bin froh, als die automatische Glastür vor uns aufgeht und wir den trubeligen Laden wieder verlassen können.
Wir haben noch Zeit, ich überlege hin und her, schon nach Hause? Nein, dann ist die Zeit bis zu den Abendritualen noch so lang und ich mag mich gern nochmal irgendwo in die Sonne setzen. Also dann nochmal zum Spielplatz auf dem Marktplatz gegenüber. Die Kleine freut sich. Ich schnalle sie ab und sie setzt sich direkt in den Sand und ich auf die Mauer daneben, das Gesicht in die Sonne. So verbringen wir noch eine halbe Stunde und machen uns dann auf den Weg. Ein guter Nachmittag, die Kleine ist super drauf und der Nachmittag bis jetzt harmonisch. Wir schieben an der Eisdiele vorbei, die wurde uns schon von mehreren Leuten angepriesen und ich bekomme plötzlich richtig Lust auf eine Kugel Eis. Ich beschließe: Heute bekommt sie ihr erstes Eis! „Was magst Du Mausi? Erdbeere oder Vanille?“ Sie kann sich nicht entscheiden und ich beschließe eine Kugel Vanille im Becher zu bestellen. Für mich meine Lieblingssorte „Snickers Eis“. Wir haben Glück, die Bank vor dem Laden ist frei, ich setze mich, sie im Buggy vor mir. Ich halte den Becher vor sie und sie fängt mit ihren Babyhändchen an mit dem Eislöffel zu hantieren.

Zwei, drei Löffel hat sie gegessen, dann aufgehört und sich abgewandt, als ich versucht habe, sie mit einem weiteren Löffel zu füttern. Aber ich hatte noch die weniger geniale Idee, ihr ein Löffel von meinem Eis anzubieten, weil ich dachte: „Naja, sie mag Vanille wohl nicht.“ Sie hat es probiert und ich erinnere mich an ihre Reaktion. Nach 2-3 Sekunden, in denen sich der Geschmack und die Bestandteile in ihrem Mund verteilt haben, hat sie versucht, das Eis mit der Zunge aus dem Mund herauszuschieben und leicht gewürgt.
Zeitgleich habe ich ihr angesehen, dass irgendetwas gar nicht gut ist, das Kind war wie ausgewechselt. Wiederum zeitgleich schwoll ihre Unterlippe an, sie wurde ganz still und „komisch“. Unbeschreibbar. Sie hat nichts mehr gesagt, sich ganz anders als noch einige Minuten vorher verhalten. Innerlich wurde mir richtig komisch, weil ich spürte, dass etwas nicht stimmte. Das Eis landete im Mülleimer und ich schob los, schnurstracks Richtung nach Hause, alle fünf Meter hielt ich an und beobachtete sie. Es ging ihr nicht gut, sie wirkte auf mich apathisch. Ich hatte Angst. Obwohl ich von ihrer Allergie noch nichts wusste, spürte ich die Gefahr, in der Sie sich befand.
Auf halber Strecke in einer Seitenstraße, ich joggte inzwischen mit dem Buggy um möglichst schnell nach Hause zu kommen, in der Hoffnung meinen Mann dort schon anzutreffen, trafen wir einen befreundeten Vater mit seinen gleichaltrigen Zwillingen. Die Kleine saß immer noch apathisch in ihrem Wagen und machte auf mich den Eindruck schlapper zu werden (Ich vermute es war der Kreislauf). Die Zwillinge turnten lebhaft auf einem Mäuerchen herum. Als die Kleine sie sah rappelte sie sich ein bisschen auf, ich redete ihr direkt zu, sie können mitturnen. Etwas widerwillig war sie, als ich sie aus dem Wagen holte und auf ihre Beinchen stellte. Sie ließ sich begeistern und nach wenigen Minuten ging es ihr merklich besser, der Kreislauf wohl wieder im Schwung, und sie spielte mit den Kindern, wie als wenn nichts wäre. Ich war heilfroh und so erleichtert! Gemeinsam gingen wir weiter in die gleiche Richtung, trennten uns vor unserem Haus.
Ich trug die Kleine nach oben, in den dritten Stock, beobachtete genau jede Regung in ihrem Gesicht. Ihre Bäckchen hatten wieder ein bisschen Farbe, die Lippe war immer noch geschwollen, aber sie war wieder wacher und „normaler“. Oben angekommen zog sie direkt los in ihr Zimmer, „Spielen Mama“. Nach wenigen Augenblicken fing sie aus heiterem Himmel an zu würgen und erbrach sich auf dem Boden. Das Eis war raus. Danach ging es ihr deutlich, Minute um Minute, besser.
Wie gesagt, wir wussten zu diesem Zeitpunkt noch nichts von der Erdnussallergie, aber es war eindeutig, dass es ihr sehr schlecht ging nach dem Eis! Im Nachhinein konnte ich die Situation bewerten und ich vermute, dass schon das Vanilleeis mit Erdnussspuren verunreinigt war. Dann hat sie zudem noch Erdnusseis probiert. Wieviel Gramm bzw. Milligramm Erdnuss sie letztendlich gegessen hat, wissen wir nicht.
Ich denke, wir hatten richtig Glück an diesem Tag!